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Selenskyjs Drängen in die EU

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Selenskyjs Drängen in die EU

Nach einer Umfrage sehen 71 Prozent der Europäer die Ukraine als Teil der europäischen Familie. Ich weiß natürlich nicht, welche Umfrage der ukrainische Präsident da meint, aber dann die Frage zu stellen, warum es immer noch skeptische Politiker gäbe, die in der Hinsicht zögern, erscheint mir doch etwas seltsam. Das meinte Selenskyj in einer Videobotschaft auf dem Kopenhagener Demokratie-Gipfel.

Er scheint einen möglichen EU-Beitritt ähnlich zu sehen, wie eine Kinokarte zu kaufen. Dabei erfüllt die Ukraine kein einziges Kriterium für einen Beitritt. Ich will das einmal verdeutlichen: Die Kopenhagener Kriterien müssten schon einmal erfüllt werden. Da wäre zum Beispiel das

Politische Kriterium: Institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten. Da wäre interessant, was die Ukraine zum Schutz der russischen Minderheit im Land unternimmt. Schon aufgrund des Kriegszustandes  wird dieses Kriterium nicht erfüllt. Und nach dem Krieg? Aus meiner Sicht wird es niemals „normale Beziehungen“ zwischen Ukrainern und Russen geben.

Wirtschaftliches Kriterium: Eine funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der EU standzuhalten. Bis es so weit ist, werden noch Jahrzehnte vergehen. Derzeit ist nicht einmal daran zu denken.

Akquise-Kriterium: Die Fähigkeit, alle Pflichten der Mitgliedschaft – d. h. das gesamte Recht sowie die Politik der EU (den sogenannten „Akquise communautaire“) – zu übernehmen, sowie das Einverständnis mit den Zielen der Politischen Union und der Wirtschafts- und Währungsunion. Ich sehe da derzeit nur eine „Übernahme“ – und die nennen sich Finanzmittel der EU. Von EU-Recht und Pflichten ist die Ukraine auch ohne den Krieg noch weit entfernt.

Warum will die Ukraine unbedingt den Kandidatenstatus? Ganz einfach: Die Ukraine würde so konkrete Unterstützung bekommen, wenn es um den Wiederaufbau des Landes geht. Beitrittskandidaten haben Zugang zu zusätzlichen Finanzmitteln und technischer Unterstützung im Gegensatz zu den östlichen Partnerländern, die eben (noch) keine Beitrittskandidaten sind.

Und dann ist da noch eine „Kleinigkeit“: Durch eine Klausel im EU-Vertrag sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, im Kriegsfall einander beizustehen. Aus gutem Grund werden kriegführende Länder keinesfalls während eines Konfliktes in die EU aufgenommen. Freiheitsdrang alleine reicht nicht für einen EU-Beitritt – nicht einmal für einen Kandidatenstatus. Auch Georgien und Moldau wollen in die EU. Doch auch dort müssen die territorialen Konflikte mit Russland zuerst gelöst werden. Und auch der Schutz von sexuellen Minderheiten ist ein Thema. Rechtsstaatsprobleme haben die Ukraine genauso, wie Moldau und Georgien.

Bei einem Besuch in Estland hat auch unser Karl klargestellt, „einem EU-Beitrittskandidatenstatus der Ukraine nur gemeinsam mit dem Status anderer Beitrittswerber zuzustimmen. Für Österreich ist es „Bedingung“, dass, wenn die Ukraine einen Beitrittskandidatenstatus erhalte, „das Gleiche auch für die Staaten des Westbalkans gilt und für die Republik Moldau„.

Wenn Selenskyj also tatsächlich annimmt, in ein paar Wochen der EU als Vollmitglied beitreten zu können, oder sich trotzig in eine Ecke zurückzieht, sollte er Letzteres tun, denn mit einem Vollbeitritt sollte er erst in einigen Jahren, oder Jahrzehnten rechnen.

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