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Der Krieg hinter dem Krieg

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Der Krieg hinter dem Krieg

Natürlich ist die Welt größtenteils betroffen und erschüttert, wenn man die Bilder aus der Ukraine sieht. Die sinnlosen Toten und die wachsende Bedrohung durch Wladimir Putin versprechen auch für Europa eine düstere Zukunft. Doch das ist nur der Teil des Krieges, der offensichtlich ist. Der Krieg hinter dem Krieg ist nicht weniger erschreckend, wenn man die möglichen Auswirkungen bedenkt.

Bereits bei der Annektierung der Krim 2014 gab es im Vorfeld Falschinformationen im Netz. Heute ist die Verbreitung noch deutlich effektiver und vor allem wesentlich schneller. Nicht nur die russische Armee gehört zu den Fake-News Tätern, sondern immer mehr auch Russland-freundliche Nutzer in sozialen Netzwerken und sogar politische Parteien in vermeintlich demokratischen Ländern.

So hat die Russische Föderation der Ukraine ein angebliches „Verhandlungsangebot“ gemacht, um den Krieg zu beenden. In Wahrheit ist es aber ein Kapitulationsangebot, das mit Frieden absolut nichts zu tun hat. Der Ukraine-Krieg wäre sofort beendet, wenn sich die Ukraine nach dem russischen Angriff bedingungslos ergeben würde und Russland gewissermaßen die Ukraine „heim ins russische Reich“ holt.

Die Macht der Bilder wird von Putin gerne genutzt, um die Meinungen in der ganzen Welt in seinem Sinn zu manipulieren. Dazu zählen auch Bilder, die bewusst nicht gezeigt werden, wie zum Beispiel die mobilen Krematorien, die nur dazu dienen sollen, die wahren Verluste der russischen Armee zu verschleiern. Nach dem Motto „Wo man keine Leichen findet, gibt es auch keine Verluste“, wird man die wahre Zahl der toten russischen Soldaten wohl niemals erfahren.

Auch die russische Behauptung, dass es sich bei den Aggressoren um „Friedenstruppen“ handeln würde, wird gerne im Netz verbreitet. Das nutzen vor allem rechtsradikale Elemente, um irgendwie Putins Handeln zu rechtfertigen. Die Gemeinsamkeit mit den russischen Kriegsverbrechern ist der Nationalismus ohne andere möglichen Alternativen.

Der politische Zwilling von Putin, Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew, meinte als derzeitiger Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates: „Russland braucht keine diplomatischen Beziehungen zum Westen“. Ob die Russische Föderation aber ohne den Westen überhaupt wirtschaftlich existieren kann, darf bezweifelt werden.

Estland, Lettland und Litauen sind eine Art Brückenkopf in Richtung Osten. Seit 1990 nach 50-jähriger sowjetischen Zugehörigkeit wieder frei. Doch gedanklich sind viele noch in einer bedrohlichen Situation und wie man am Beispiel der Ukraine sieht, nicht so ganz zu Unrecht.

Putin wird auch vor diesen Ländern nicht Halt machen, obwohl das Baltikum inzwischen der NATO angehört. Das würde seinem imperialen Gedanken widersprechen. Es ist aber nicht ganz so einfach, ohne ernsthafte Konsequenzen diese Länder so wie die Ukraine anzugreifen. Kann Putin jetzt dem Propagandakrieg entsagen, sich aus der Ukraine zurückziehen und so tun, als ob nichts gewesen wäre?

Politisch und taktisch wäre das aus seiner Sicht unmöglich. Er ist zu weit gegangen, um jetzt wieder umzukehren. Doch das Baltikum anzugreifen, hätte weltweite Konsequenzen – natürlich auch für Russland. Auch in Russland mehren sich die Proteste gegen den Angriff auf die Ukraine. Das zu erwartende Resultat: Rund 3000 Festnahmen bei Demonstrationen und in Russland kann man tatsächlich diese Festnahmen unter „vermisst“ verbuchen. Arbeitslager dürften die mildesten Konsequenzen sein, wenn man gegen Putin demonstriert.

Die Annahme, dass Russland sich mit der Ukraine zufriedengibt und dann ruhig nach Hause zurückkehrt, ist ein gefährlicher Trugschluss. Europa bleibt erpressbar, solange es diese Abhängigkeit auf dem Energiesektor gibt. Alle europäischen Staaten wären gut beraten, sich um andere Energielieferanten bei Gas und Steinkohle umzusehen. Teuer wird es in jedem Fall, sodass man vielleicht einen kompletten Energieumstieg forcieren sollte. Energie ist ein Sektor, auf dem man mit Netzpropaganda ebenso viel erreicht, wie mit gezielten Cyberangriffen.

Rätselhaft ist für mich, dass auf Putin nicht schon viel früher reagiert wurde. Blindes Vertrauen ist bei Russland noch nie angebracht gewesen und wenn man Putins Biographie kennt, muss man sich eingestehen, dass sich der heutige Stand schon lange abgezeichnet hat, denn der Krieg hinter dem Krieg ist schon sehr lange im Gang.

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Ein Kommentar

  1. Krieg: ist zuerst die Erwartung, dass es einem danach besser geht, dann der Wunsch, dass es dem Anderen schlechter geht, anschließend die Hoffnung, dass es dem Anderen auch nicht besser geht und zuletzt die Einsicht, dass es beiden schlechter geht. Karl Kraus

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